Die 5-Länder-Tour - zu Fuß!!

  • [size=16pt]Epilog[/size]


    Alles entwickelt sich.
    Die Welt verändert sich.
    Und wir uns mit ihr.
    Man wird älter…
    und manche werden weiser…

    STOOOOPPPPP! Wird das jetzt hier ein Melancholie-Thread oder wie oder was? ;D


    Also kurz ein Fakten-Epilog:


    Ursprünglich wollte ich, Brabaks, geboren 1967, nur wissen, ob ich nach meinem Schlaganfall vor ein paar Jahren noch wieder die Leistungsfähigkeit aufbauen kann, die ich mir als „realistisch“ einschätzbar wünsche. Also wanderte ich eines Tages die 32 Kilometer von zu Hause (Stuttgart-Steinhaldenfeld) zu einer lieben Freundin nach Nürtingen. Geht ja! Und nun? Laufe ich einfach mal weiter… Daraus entwickelte sich anfangs eher zufällig und auf der Basis Pi mal Daumen das Projekt Stuttgart – Basel.


    Und ich hätte nie gedacht, dass dies so einen Spaß machen kann – und: einen so unglaublichen Schub an innerer Energie bewirkt!


    Um die Jahrtausendwende (also vor ca. 12 Jahren, da war ich 32) zeigte ich offen eine gewisse Zufriedenheit, wenn ich 20… gut, vielleicht auch 18 Kilometer problemlos schaffte. Niemals hätte ich gedacht, dass heutzutage (es war genau am 6.Oktober 11) selbst 35 Kilometer bei 1050 Höhenmetern bergauf und 1020 bergab machbar sind! :)


    Große Zeiten verlangen nach großen Projekten! Ich habe natürlich keine Ahnung, wie weit ich komme, wie ich durchhalte, ob meine Gesundheit mitmacht, ob meine Lust durchhält und so weiter und so fort… :-\
    Trotzdem möchte ich ganz einfach mal anfangen. Es kribbelte regelrecht im ganzen Körper… wat mutt, dat mutt! :D



    Und deshalb verkünde ich hier das Projekt „Die 5-Länder-Tour“, welche von Basel (Schweiz) über Huningue (Frankreich) und Stuttgart (meine Heimatstadt) gen Pirna (meine Urheimat) (beide Deutschland), weiter nach Sokolov (Tschechien) und endend in Zgorzelec (Polen – gegenüber von Görlitz) gehen soll.


    Meine „Lieblingskneipe“ tssf.eu nutze ich als Plauder- und Fotoecke, hier gefällt es mir!


    Ein paar Worte zu den Fotos:




    Ich bemühe mich, pro Etappe 5 bis 10 der schönsten Fotos auszuwählen und hier zu zeigen. Manchmal lässt sich dies aber nicht durchhalten – wenn auf Grund des dokumentarischen Wertes oder der extremen Motive (Landschaft! Wetter! Eisenbahnen!) es mir wichtig wird, mehr als die angesprochenen 10 Bilder vorzuzeigen - dann tue ich es auch! Gleich bei den ersten 3 Etappen kommt es genau aus diesen Gründen zu einer regelrechten Bilderorgie… Ist es aber auch wert!



    Ich kann mir aber auch vorstellen, dass bei den „notwendigen Flachland-Lückenschlüssen“ auch mal 5 Zeilen und 3 Fotos genügen. Und: so ausführlich wie bei den Etappen 1 bis 3 wird es schon aus Zeitgründen nicht bleiben können – summa summarum stecken über 20 Stunden Arbeit in Text + Bildern.


    So, genug geschwätzt, fangen wir doch einfach mal an! :)

    Warum steht denn der Zug hier schon fünf Minuten am Signal herum?<br />Weil der Lokführer die grüne Neune gezogen hat...<br />Skatblattfahren!!<br /><br />Meine große virtuelle Liebe: Final Fantasy IX - Braucht es einen Grund, anderen zu helfen? (Zidane Tribal)

  • [size=16pt]1. Etappe
    Montag, 14. November 2011
    Basel (Schweiz) – Huningue (FRA) – Kandern (D)


    [/size]


    Ich muss bescheuert sein, im November eine 3-Tages-Wandertour beginnen zu wollen und es dann zu allem Überdruss auch noch zu tun. Im November! Himmel und Hölle…


    Aber ich konnte nicht widerstehen. Seitdem ich vor rund 9 Wochen beschloss, das „große Ganze“ zu versuchen, spüre ich ein Kribbeln, ein Zittern, ein Summen , welches mich wahnsinnig machen könnte. Es schreit RAUS! RAUS!! GEH RAUS!!!... und ein 3-Tage-Frei bei angesagtem extrem schönen Wetter verführte mich zu einem Ja, ich will!


    Montag, 14. November. Ich bin verdammt knapp dran – es gibt aber auch immer so viel zu tun! Durch einen Jogging-Übergang in Bad Cannstatt schaffe ich es immerhin, 7 Minuten vor Abfahrt am umkämpften Stuttgarter Hauptbahnhof zu sein. Da durfte aber auch nichts schief gehen!


    Der IC Ulm – Karlsruhe fährt ein. Er ist brechend voll, fast alle Insassen steigen aber aus, währenddessen draußen sich an den Türen riesige Trauben bilden. Ich habe einen günstigen Startplatz und sitze am Fenster. Die letzten müssen stehen. 12 nach 7. Es kann losgehen!
    Kling-klong! „Sehr geehrte Reisende, unser InterCity nach Karlsruhe muss wegen einer technischen Störung heute leider umgeleitet werden und fährt nicht über Bruchsal. Reisende in Richtung Bruchsal und weiter mit der S-Bahn Richtung Heidelberg benutzen bitte den IC um 7.14 Uhr vom Gleis 9 bis Heidelberg und steigen dort um. Der Zug wartet für Sie am Gleis 9!“


    Na toll, eine Umleitung, und ich habe in Karlsruhe nicht viel Übergang…
    Nachdem ein paar Leutchen ausgestiegen sind, ruckt unser Zug an und schnüüürt sich aus dem Bahnhof.
    Schnellfahrstrecke. Wir drehen auf. Aber nicht lange.
    In Vaihingen werden wir am Ausfahrsignal gestoppt, dann passiert erst mal gar nichts.
    Kling-klong!
    „Sehr geehrte Reisende, wir fahren nun doch über Bruchsal, die Weichenstörung ist behoben.“


    Weiter!
    Uns so rasen wir mit einem guten Plus von 10 Minuten durch die erwachenden Felder, Wälder und Dörfer gen Karlsruhe. Von wegen Sonne! Noch ist alles ein wenig vernebelt.


    Mein Anschluss wird wohl weg sein. Oder?
    Kling-klong! „Sehr geehrte Reisende, in wenigen Minuten erreichen wir Karlsruhe. Dort haben Sie noch Anschluss an den ICE nach Bern über Freiburg – Basel; dieser Zug hat momentan cirka 8 Minuten Verspätung!“ *SteinvomHerzfall*
    Und so war’s dann auch.


    Karlsruhe. Der ICE fährt ein; ein ewig langes Gerät von 13 Wagen. Und voll! Wie voll! Da ich aber nicht stehen will, setze ich mich auf das Ausstiegstreppchen auf einer Plattform, und ein erstes Foto entsteht:




    In Offenburg wird Platz, und ab Freiburg sogar viel Platz. Basel erreichen wir mit nur noch 3 Minuten Miese Basel! BASEL!!



    Hier kam ich vor ein paar Monaten mit Schmetterlingen im Bauch, Hummeln im Hintern und einem irren Glücksgefühl an. Hier beginnt sie nun, die 5-Länder-Tour bis hinüber nach Polen – kopfschüttelnd stehe ich auf dem Bahnsteig…


    Zunächst ein offizielles Start-Foto, es sieht wohl echt blöd aus, ich weiß, aber ich habe es von einigen Stellen probiert, und das war noch das Beste.



    Auf geht’s! Wirklich und wahrhaftig!
    Zunächst laufe ich erst mal hinab zu Gevatter Rhein - der erste von 1 600, 1 800 oder gar 2 000 Kilometern ist schon mal geschafft.




    Rechterhand will ich ihn mittels Brücke queren, und schon muss ich meine Pläne ändern, denn die Brücke ist vom Ufer aus unerreichbar. Was soll’s, es gibt ja noch andere Brücken! *Schmollmundzieh*


    Okay, die nächste nutze ich …und zehn Minuten später verlasse ich die Schweiz.


    Mein Fazit: die Schweiz, die ich jetzt gesehen habe, ist dicht bebaut, teuer (habe mir ein paar Speisekarten angeschaut… puh!) und von einem großen Fluss durchzogen.
    ;D



    Frankreich!


    Dieses Land begrüßt mich mit einem Gewerbegebiet, welches langweiliger nicht sein könnte. Immerhin gibt es hier Bahnübergänge… mit riesigen Hinweisschildern!



    Aber es ist nicht viel los auf den Gleisen (höflich gesagt)… und obwohl wir November haben…



    …blühen Blumen! Naja, in Frankreich ist halt alles anders.
    Eine halbe Stunde später bin ich wieder am Rhein, dort finde ich sogar eine richtig romantische Ecke:




    Minuten später die Überraschung: Da ist eine Brücke, die gibt es auf meiner Karte noch gar nicht!





    Es handelt sich dabei um eine erst 2007 erbaute Fußgängerbrücke – welch Überraschung! Ich nutze sie und fotoknipse ein Güterschiff bei der Einfahrt in den Hafen Weil am Rhein.





    Ach ja, die Bilanz Frankreichs, was ich so soeben gesehen habe:
    Frankreich ist flach, teuer, hässlich und stinkt.
    :lol




    Hmmm. 2 Länder habe ich ja schon geschafft! In 100 Minuten! Also 50 Minuten pro Land, macht bei 5 Ländern… also, heute Nachmittag werde ich Zgorzelec mir ein Stück polnischen Heukuchen gönnen. Rein mathematisch gesehen… ;)


    Weil am Rhein! Auch die nächsten Kilometer sind einfach nur *würg*; ich glaube nicht, dass ich auf meiner Tour irgendwann ein noch hässlicheres Fotomotiv finde, hier ist das Bäääh-Foto schlechthin:


    :igitt


    Weil Weil so hässlich ist, flüchte ich es rasch wieder und verlasse das Rheintal über den ersten (allerdings winzigen) Wanderweg der Tour, welcher seinen Namen auch verdient hat (steil bergauf über eine Treppe); bloß blöd, dass ich nach 150 Metern wieder auf einer Straße stehe.


    Haltingen. Meine Karte lässt mich vermuten, dass ich rechterhand vielleicht ein nettes Bahnmotiv finden könnte – uuuuund: hier ist es tatsächlich!





    Die Brücke ist ein Teil der Strecke (Freiburg - ) Haltingen – Weil am Rhein Güterbahnhof (- Basel); auf der unteren Strecke können Züge eine komplette Drehkurve befahren; sprich Basel – Weil am Rhein Personenbahnhof – Weil am Rhein Güterbahnhof – Basel.


    Da es sich nicht bewährt hat, bei längeren Touren lange zu rasten ( = richtig Mittagessen zu gehen), ist der nächste Bäcker meine. Und ein Weilchen später pausiere ich dann doch, der Erinnerungen wegen, bin ich schließlich hier gelandet am Bahnsteig der Kandertalbahn in Haltingen. Ich habe sie einmal nutzen können, da musste die winzige urige Nebenbahnlok (eine preußische T3 von 1904!!) sowas von schnaufen… bei einer Zugbesetzung von gefühlten 176 %, aber wozu haben die winzigen Wagen Plattformen?
    Ein Foto des jetzt im Winterschlaf befindlichen Bahnhofs, während im Hintergrund ein ICE nach Basel vorbeirauscht.



    Überhaupt, was heißt denn hier Winterschlaf? 5 Minuten später kam ein männliches Stöpselchen (ein Junge, der schon zur Schule geht, aber noch nicht lange) zwar in langen Hosen, aber oben herum nur im kurzärmlichen T-Shirt vorbei, den Ranzen auf dem Rücken und Müdigkeit im Blick.
    Welches Datum haben wir? Den 14. November? Echt? ;)


    13 Uhr. Die ersten 55 Höhenmeter am Stück erwarten mich, hinauf nach Ötlingen. Zum ersten Mal habe ich wirkliche Gefühl des Wanderns.



    Auf dem Berg befindet sich eine Gaststätte, die teuer, aber im Vergleich zu Basel oder Huningue spottbillig ist. Und natürlich einen schönen Ausblick bietet… in den Dunst des Rheintales.





    Jetzt laufe ich zielgerichtet gen Nord. Ärgerlicherweise bin ich bereits jetzt pflastermüde, und hier bestehen alle Wege noch aus hartem Asphalt. Schicksal! Damit musste ich aber rechnen.


    Ein letztes Mal heute durchquere ich einen lauten Ort mit nervtötender Autobahn (nämlich Binzen, nicht zu verwechseln mit Ostseebad Binz! ;D ), dann strebe ich auf den sonnenbeschienenen und erstaunlich warmen Höhen westlich des Kandertals weiter.


    Welch Farbenpracht bietet in diesem Jahr der ach sonst so graue November! Aber schließlich ist es seit Wochen trocken, oft sonnig – und kein bisschen Wind schüttelt die Blätter vom Baum.


    Zwei Impressionen voller bunter Schönheit:





    Zähle alle Farben! ::)



    Oberhalb Wollbachs kommen die ersten richtigen Schwarzwald-Ausläufer ins Bild. Sehr schön das nächste Bild mit blühendem Senffeld, dem Kandertal, Wolken, die aus dem Rheintal herüberschwappen – und dem blauen Blauen, meinem ersten richtig fetten Berg, zu besteigen morgen.





    Hammerstein, vorletzter Halt der Kandertalbahn und 3 Kilometer vor dem Ende der Strecke. Gern hätte ich hier übernachtet, aber es ist mir halt doch zu abgelegen: Das Bahnhöfli:



    Nun wird sogar der Weg noch einmal anspruchsvoll, und nicht nur dass: Ein felsiges Seitental erinnert mich an meine Urheimat, die Sächsische Schweiz – Eindrücke aus der schattigen und langsam immer dunkler werdenden Wolfsschlucht:








    Kandern. Wie ich vom Bahnhof zum Hotel komme, weiß ich. Aber wie komme ich zum Bahnhof? Zwar überquere ich nochmals die Gleise, werde aber seitlich weggeleitet. Ein Supermarkt! Ich fülle meine Getränkevorräte auf (jetzt ist der Rucksack schwer!) und marschiere die Hauptstraße einfach weiter, der Logik vertrauend, dass sie mich ins Stadtzentrum verführt.


    10 Minuten, 20, 25. Nichts! Einfamilienhäuser allerorten, aber ein Stadtzentrum?
    Unter einer Straßenlaterne – inzwischen ist es stockdunkel – versuche ich meine Position zu bestimmen – und siehe… die Straße führt seitlich in Berge. Na toll! :-\


    Umkehren! Und weitere 15 Minuten später bin ich richtig. Da, die Ziegelstraße. Mein Hotel „Zur Schnecke“... ist stockdunkel. :o
    Ich hatte vorgestern per eMail angefragt und eine automatisierte Antwort bekommen. Mehr nicht! Wird schon klargehen, dachte ich mir. Irrtum!
    „Vom 11. bis 18. November haben wir Urlaub!“, wird mir kundgetan. Wollen die mich zur Schnecke machen?



    Ich weiß von einem zweiten bezahlbaren Hotel, am Markt. „Zur Sonne“. Ha! „Zu den Sternen“ wäre jetzt passender. Egal, hin!
    Am Markt ein Hinweisschild, 2 Minuten später stehe ich… vor einem dunklen Gebäude. Restaurant & Hotel „Zur Sonne“: Montags Ruhetag. Neeeeeeein! :o ]:>


    Die Touristen-Information hat natürlich geschlossen, die meisten Läden machen jetzt auch zu, vom Kirchturm gongt es 6, und langsam ist es arschkalt.. Na toll!


    Da sehe ich doch schräg gegenüber ein Café, und dies heißt auch „Zur Sonne“! Diese Namensgleichheit! Da frage ich mal…


    Und so wendet sich doch noch alles zum Guten, denn die Rezeption des Hotels wird vom Café-Wirt mitverwaltet. Zimmer sind auch noch frei, und so kann ich nach einem ausführlichem Abendbrot beim um die Ecke liegenden äußerst leckeren Italiener duschen und wunderbar schlafen. :klatschen




    heute 29 km, 420 Höhenmeter bergauf, 320 bergab, höchster Punkt auf 383 Metern


    total 29 km, 420 Höhenmeter bergauf, 320 bergab
    Durchschnitt pro Etappe 29 km, 420 Höhenmeter bergauf, 320 bergab

    Warum steht denn der Zug hier schon fünf Minuten am Signal herum?<br />Weil der Lokführer die grüne Neune gezogen hat...<br />Skatblattfahren!!<br /><br />Meine große virtuelle Liebe: Final Fantasy IX - Braucht es einen Grund, anderen zu helfen? (Zidane Tribal)

  • Zitat aus einem Lied von Jürgen Hart (Leipzig):


    "..da braucht er seine Ruhe
    und ausgelatschte Schuhe!"


    In diesem Sinne, lieber Brabaks, wünsche ich dir Sonnenschein auf allen Wegen! Dein Projekt nötigt mir alter Kellerassel Respekt ab, wir schaffen es im Jahr gerademal eine Woche Wanderurlaub zu machen...


    Viele Grüße und Hals- und Beinbruch
    Jan

  • Geht ja schon weiter! :)


    [size=16pt]2. Etappe
    Dienstag, 15. November 2011
    Kandern – Blauen - Badenweiler
    [/size]


    Nach diesem an- und aufregenden Starttag sollte es heute ruhiger weitergehen. 6 von 7 Wettervorhersageseiten hatten trockenen Ostwind und damit Sonne pur vorhergesagt… aber wie das mal so ist, schlief der Wind im Lee des Schwarzwaldes ein, die nasse Rheinebene entwickelte einen dicken Novemberhochnebel, den die tiefstehende Sonne nicht aufkochen konnte, und so stiefele ich halt unter dicken Wolken los bei 4 Grädern und feuchter Luft… und finde nicht einmal einen Bäcker in der hübschen „City“ von Kandern. 2 Äpfel sind meine Marschverpflegung, das passt schon.


    Ich verlasse Kandern gen Nordnordost, ein nasses Foto:



    Ein halbe Stunde später, die ersten 150 Höhenmeter sind geschafft, bin ich komplett in den Nebel eingetaucht, ein feuchter, stiller, alles durchdringender Nebel… und stürze auf meinem Wege, denn Laub und dadurch verdeckte, nasse und rutschige Baumwurzeln können eine unheilvolle Allianz eingehen…


    Wo messe ich eigentlich gerade die Wegbreite? Hier! (Foto auf dem Bauch liegend gemacht) 8)




    … und ich denke gerade: Na hier werde ich wohl die nächsten drei Stunden keinen Menschen sehen – da höre ich, kaum dass ich aufgestanden bin, von hinten heißen Atem hecheln – was??
    Ein dünner, durchtrainierter scheinbar 55jähriger (vielleicht war er schon 65, sah nur so jung aus?) kommt trainingsanzügig angedampft, überrascht, mich zu sehen. Nimmt Tempo raus, grüßt.
    Spricht: „Ich hätte nie gedacht, dass ich hier jemanden sehe!“
    „Mir geht’s genauso!“
    „Ja!“, bestätigt er, „auf meinen täglichen 3-Stunden-Runden sehe ich ganz selten jemanden. – Wo soll es denn hingehen?“
    Ich: „Heute über den Blauen nach Badenweiler.“
    „Und insgesamt? Den Westweg nach Pforzheim?“[Der Westweg ist ein offizieller 7-Tages-Schwarzwald-Wanderweg.]
    „Naja, ein kleines Stückchen noch weiter. In ein paar Jahren, je nach dem, wie ich Zeit habe, bis nach Zgorzelec in Polen.“ ;D
    „Echt? Donnerwetter! Dann viel Spaß!“
    „Den werde ich haben!“
    Und dann dampft er weiter; ich sollte ihn in der Tat anderthalb Stunden und ca. 6 Kilometer weiter noch einmal sehen, da kam er mir entgegen.


    Zunächst aber erklimme ich die auf einem 665 Meter hoch gelegenen Hügel gelegene Ruine Sausenburg. Ich stehe in den mittelalterlichen Mauerresten, höre nichts außer meinem eigenen Atem, und der Nebel bei 2 Grad Celsius verschluckt alles.


    Die Ruine von unten…



    …und von oben:



    Beim Abstieg bleibe ich erneut an oder in so einer elenden rutschigen vom Laub verdeckten Baumwurzel hängen… patsch! Herrgott, habe ich das verdient?


    Aber die Funktionskontrolle (rechter Arm: geht – linker: funzt; rechtes Bein: okay – linkes: in Ordnung; Fotoknipse: klappt!) verrät: weiter geht’s!


    Ein paar Kilometer weiter rast ein riesiges Forstfahrzeug an mir vorbei. Später entdecke ich es beim Verladen:




    Inzwischen geht der Vormittag langsam in den Mittag über – und ich spüre, wie sich Helligkeit den Weg von oben durch den Nebel bahnt. Sonne? Sonne!


    Und von beachtenswerter Schönheit geprägt erreiche ich die Nebel-Obergrenze:



    Sonne! Es wird hell – und gleich etwas wärmer!





    So steige ich zum Blauen hinauf und sehe jetzt live, wie geil es aussieht, wenn man das Nebelmeer durchquert hat und jetzt freien Blick von oben hat:






    Der Blauen! 1165 Meter hoch, und das winzige Selbstbedienungs-Gaststättchen hat sogar des schönen Wetters wegen geöffnet.


    Die Auswahl ist reichhaltig:



    Gemüsesuppe.




    Und aus. ;D ::)
    Ja, wo sind wir denn hier?


    Ich frage den dünnen und dennoch gemütlichen (höflich für: langsamen) Diensthabenden: „Habt Ihr nicht irgendwie ´n paar Würschtl oder so was?“
    Er gähnt: „Da muss ich maaaal im Keller gucken.“ Und schiebt gemessenen Schrittes ab.


    Aber wer sagt’s denn? 10 Minuten später sitze ich mit einem Teller mit zwei Wienern auf dem Südbalkon der Blauen-Gaststätte, lasse es mir schmecken und genieße die heute so extreme Aussicht:




    Sensationell: der helle Punkt halbrechts ist wohl ein spiegelndes Fenster im Hauptkamm der Alpen, eventuell im 140 Kilometer entfernten Jungfrau-Gebiet! Oder weiß es jemand genau?


    Mir wird langsam heiß. Warum? Ich schaue und staune: die Temperatur in der Sonne liegt bei sagenhaften 22 Grad Celsius! Hier will ich bleiben!


    (Amüsant registriere ich, dass etliche neue Besucher auftauchen – mit Würstchen auf ihrem Teller…)


    Aber ich breche dann doch auf; der Aussichtsturm auf dem Gipfel des Blauen wartet noch:


    Blick nach Norden, links ist – klar! – das Rheintal zu sehen:




    Blick gen Süd:




    Und irgendwann steige ich gen Badenweiler ab (interessant: im Schatten ist das Gras noch bereift!) und komme der Zone der dicken Suppe wieder näher.


    So, und was nun zu sehen ist, an der Grenze zwischen Sonne und Nebelmeer, das hat mich echt umgehauen. Bergauf am Vormittag war es ja schon schön, aber jetzt… Bilder dieses Couleurs erlebt man ganz, ganz selten.


    Nur „ganz hübsch“: oben Sonne, unten Nebel:




    Aber dann: Etwa 10 Höhenmeter unter der Nebel-Oberkante bricht sich der Sonne Strahlen Bahn in einer unglaublichen Faszination. Genießt diese Fotos!!!
























    Wie (fast) immer sind die Bilder nicht bearbeitet!


    Badenweiler! Unfallfrei (denn 730 Höhenmeter auf 8 Kilometer Länge auf schmalen nassen Pfaden wollen erst mal abgestiegen werden!) erreiche ich diesen Kur- und Urlaubsort:



    Auch eine erstbeste Bushaltestelle ist rasch gefunden. und rasch bin ich in Müllheim angelangt, von wo aus der Bus nach Kandern abfahren soll.


    Er kommt aber nicht. Schon sind es 7 Minuten nach der planmäßigen Abfahrtszeit, da biegt ein Schlenki um die Ecke. „Schulbus“ verkündet ein Schild. Der Fahrer stoppt, öffnet die Tür: „Wo soll’s denn hingehen?“
    „Nach Kandern!“
    „Na ja, komm mit!“
    Nur ganz hinten finde ich noch Platz in den Kinderhorden, und schon geht es los.
    In Vögisheim und Feldberg – nicht der Berg, sondern ein Ort, welcher einen Ortsteil hat, der „Rheintal“ heißt, obwohl er gar nicht im Rheintal mehr liegt (was für ein Kuddelmuddel!) – verlassen aber alle Schüler den Bus. Am Ortsausgang knackt es mal kurz im Lautsprecher („krr krr no krr jemd da krrrr“), ich nehme das gar nicht für voll. Meine Schuld! Denn wir biegen in Liel nicht links, sondern rechts ab und fahren damit von Kandern weg – warum wohl? ???
    Ich frag mal.


    Der Fahrer macht große Augen, als er mich sieht. „Mein Gott, ich habe doch gefragt, ob jemand da ist?“
    „Ups, das habe ich gar nicht verstanden!“
    „Ja, nun ist auch zu spät… Ich lass Dich in Schliengen raus, da fahren auch Busse nach Kandern!“
    Tja, Pech gehabt. Und der nächste Bus fährt in 50 Minuten, und das Wetter ist ehrlich gesagt ekelhaft, sofort nimmt mich die nasse Kälte gefangen…


    Wo kann ich mich aufwärmen? Da sehe ich einen urigen Döner-Imbiss, betrete ihn. Es ist herrlich warm drin! Ich verlange einen schwarzen Tee.
    Der baumlange Türke hinterm Tresen stutzt: „Tee, Tee…“ Er wendet sich Richtung Küche: „Chaben wirr schwarrzen Tee?“ Sie haben.
    Und als ich bezahlen will, meint er ganz locker: „Ach, gibst mirr fünfzig Cent!“


    Irgendwie sind die Leute hier wirklich nett – und nicht ganz arm: Es gibt zahlreiche Edelrestaurants. Wer es hat…


    Kandern! Schon ist es dunkel, aber ich entdecke noch etwas ganz Tolles für mich: ein griechisches Restaurant mit einem leckeren Kellner, der mich auch gleich duzt. Im Hotelbett liege ich dann aber doch allein – Schicksal! ;D



    heute 19 km, 880 Höhenmeter bergauf, 810 bergab, höchster Punkt auf 1586 Metern (Plattform des Aussichtsturmes)


    total 48 km, 1 300 Höhenmeter bergauf, 1 130 bergab
    Durchschnitt pro Etappe 24 km, 650 Höhenmeter bergauf, 565 bergab

    Warum steht denn der Zug hier schon fünf Minuten am Signal herum?<br />Weil der Lokführer die grüne Neune gezogen hat...<br />Skatblattfahren!!<br /><br />Meine große virtuelle Liebe: Final Fantasy IX - Braucht es einen Grund, anderen zu helfen? (Zidane Tribal)

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