Auch wenn man das Phänomen jeden Tag beobachten kann – man braucht ja nur eine beliebige deutsche Zeitung aufzuschlagen – ist es nicht minder interessant, dass der semi-permanente, diffuse Panikzustand vor nichtigen, oft nur hypothetischen Gefahren inzwischen sogar Erbgut-Mutationen hervorgerufen haben könnte, so dass sich das Phänomen quasi selbst verstärkt. Das sollte uns Angst machen...
Der Begriff German Angst bezieht sich übrigens nicht vornehmlich auf die Übernahme der Weltherrschaft – auch wenn die Deutschen inzwischen wahrscheinlich wirklich mehr Angst vor sich selbst haben als andere Nationen vor den Deutschen, was diesen Aspekt angeht. Dazu muss man wissen, dass das Wort angst auf Englisch nicht die gleiche Emotion beschreibt wie auf Deutsch. Die englische angst ist einerseits stärker und andererseits diffuser als die deutsche, und hat meist einen geringeren Anlass – sie geht fast schon in eine latente Dauer-Depression über den Zustand und die Zukunft der Welt und der Menschheit als solche über, ähnlich einer generalisierten Angststörung.
Ein gutes Beispiel ist der aktuelle EHEC-Ausbruch: obwohl die Ursache noch gar nicht wirklich geklärt ist, stellt das ganze Land den Verzehr von Salat und Gemüse mehr oder weniger komplett ein – auf eine diffuse Vermutung hin. Und das, obwohl die Zahl der Infektionen und der Todesopfer doch recht überschaubar ist, und beispielsweise von der handelsüblichen, alljährlichen Grippewelle bei Weitem in den Schatten gestellt wird - oder auch von den Zahlen aus dem Straßenverkehr. Diese Art von Überreaktion ist es unter anderem, die German Angst zum Ausdruck bringen soll. Wobei allerdings die Angewohnheit, vor den falschen Dingen Angst zu haben, bzw. vor den wirklichen Gefahren zu wenig, auch in anderen Ländern weit verbreitet ist.
Oder, wie es The German Way ausdrückt:
"Deutsche machen sich gerne Sorgen. Sie machen sich Sorgen über Politik. Sie machen sich Sorgen über die Umwelt. Sie machen sich Sorgen über ihre nationale Identität und ihr Ansehen in der Welt. Sie machen sich Sorgen über die Wirtschaft. Sie machen sich Sorgen über ihre Sorgen. Nun ist es nicht so, dass Deutsche nicht gerne Spass hätten. Aber sie scheinen in der Lage zu sein, Spass darin zu finden, sich Sorgen zu machen. Sie diskutieren gerne über ihre Sorgen. Kritik ist ein Volkssport. Journalisten tun das auf den Meinungs-Seiten der Zeitungen und Zeitschriften. Der Durchschnitts-Deutsche tut das in Leserbriefen oder über ein Bier in der örtlichen Gastwirtschaft. Dieser germanische Charakterzug findet sich auch, weniger stark ausgeprägt, in Österreichern und deutschsprachigen Schweizern.
Meinungsumfragen in der deutschsprachigen Welt ergeben oft eine pessimistischere Sicht der Dinge, als das in vielen anderen Ländern im Allgemeinen der Fall sein mag. Darauf angesprochen, antworten Deutsche, Österreicher und Schweizer oft, sie seien doch nur realistischer als die überoptimistischen Hans-im-Glücks[size=1]1[/size] in anderen Ländern."
[hr]
[size=1]1[/size] Das Original spielt hier auf den amerikanischen Kinderbuch-Klassiker Pollyanna an, in dem das gleichnamige Waisenmädchen es sich in ihrer grenzenlosen Naivität zur Lebensaufgabe macht, jeder noch so unglücklichen Situation etwas Gutes abzugewinnen.